Mittwoch, 27. August 2014

HR Business Partner


(aus "HR Business Partner - Die Spielmacher des Personalmanagements" - Martin Classen/Dieter Kern, 2009)




1)    Charakterisieren Sie doch mal bitte den idealen HR Business Partner?

Basierend auf dem Gedankengebäude eines Dave Ulrich ist der Aufgabenbereich des idealen HR Business Partners heute sehr umfassend. – Es geht nicht darum, dass der „Personaler“ sich auf den Weg begibt, um sich vom Administrative Expert über den Employee Champion bis hin zum Change Agent und Strategic Partner zu entwickeln, sondern darum, dass er die gesamte Klaviatur beherrscht. – Das Entwicklungsstadium einer Organisation, der Reifegrad deren Führungsmannschaft mag bestimmen, welche Aspekte im bestimmten Phasen verstärkt benötigt und welche Skills dementsprechend abgerufen werden müssen.

Zentrale Basisanforderung an den idealen HR Business Partner ist dabei neben der Fähigkeit, Vertrauen und Netzwerke aufzubauen, ein weitreichendes Businessverständnis, um People Themen und Business Themen zu vernetzen bzw. dem Business Leader bei dieser Vernetzung zu unterstützen. Dieses hat mit Fokus auf den langfristigen Unternehmenserfolg zu geschehen.

Gerade im internationalen Konzern, der häufig als Matrixorganisation strukturiert ist, bietet dieses Businessverständnis die Platform für bereichsübergreifende Kollaboration.

Daneben kann die besondere Beziehung zur beratenen Führungskraft  idealerweise in grösstmöglicher Unabhängigkeit von einer Berichtslinie die Möglichkeit eines Alleinstellungsmerkmals als intelligentes Sounding Board zu vielfältigen Themen der Unternehmenslenkung offerieren. – Eine Position, in der diese noch am Ehesten mit dem externen HR Berater konkurriert, dem jedoch per Definition der interne Blickwinkel und die Nähe zur Organisation fehlen wird.

2)    Gibt es den bereits in ihrem Unternehmen? Und wie oft?

Idealiter existiert ein ähnliches Profil  bereits zumindest auf Beratungsebene der Geschäftsführung.

Generell schwankt die Nähe zum Idealbild im Einzelfall , sowohl in Abhängigkeit von Skills als auch Bedarf und Seniorität des Kunden. – Zudem können im Alltag überlappende Anforderungen oder auch Qualitätsmängel in Basisprozessen dazu führen, dass der Raum, dieses Ideal zu leben verengt wird. – Getting the basics right ist sicherlich auch für eine anspruchsvolle HR Funktion mit gut qualifizierten Individuen eine Eingangsvoraussetzung, um ihre Qualitäten auch ausspielen zu können.

3)    Sind dies Naturtalente oder haben Sie eine systematische Auswahl und Ausbildung?

Talent und Erfahrung spielen eine entscheidende Rolle. Unter dem Aspekt Erfahrung sicherlich auch das Unternehmensumfeld, das – häufig im Wege des „Learning on the job“ – zulassen, ja wünschen muss, dass der HR Partner Verantwortungsfelder jenseits der klassischen Administration besetzt. – Wie auch in allen anderen Feldern des lebenslangen Lernens sind begleitende theoretische Ausbildungen unterstützend hilfreich, jedoch nur als flankierende Massnahmen. – Herausfordernde Aufgaben zu erhalten und einen Manager oder ggf. Mentor zu haben, der daraus resultierende Risiken überschaut und im Krisenfall managed, prägt persönliches Wachstum am Intensivsten.



4)    Welche Aufgabenstellungen lösen denn die HR Business Partner typischer Weise in Ihrem Unternehmen? Und welche HR-Themen erledigen sie mit Sicherheit nicht?

Herzstücke der Business Partner Funktion sind Entwicklung und Fortschreibung der People Strategie, die die generelle Unternehmensstrategie prägt und unterstützt. – Im Alltag zudem die Unterstützung der Umsetzung derselben, sowohl durch Bereitstellung klassischer HR Instrumente – Compensationprogramme, Assessments als Beispiele – als auch der Begleitung von Veränderungsprozessen – Szenarioplanungen, Kommunkationspläne als Beispiele.

Erforderlich um Luft für derartige HR Arbeit zu haben, sind funktionierende Basisprozesse – automatisierte Self-Service Mechanismen in der HRIT Infrastruktur oder HR Shared Service Centren für sich wiederholende, einfache Transaktionen im Mitarbeiterumfeld.

5)    Beschreiben Sie eine Situation, nach der das Business zu seinem Partner aus HR gesagt hat: „Wow – das war wirklich gut!“

Im klassischen Arbeitsbereich kommen mir hier Planungen für Organisationsveränderungen in den Sinn, die ganzheitlich bis hin zu qualitativen Kommunikationsplänen durch den HR Partner begleitet werden.

Ausserdem beispielhaft sicherlich auch Themen, die „out of the box“ Denken und ganzheitliche Verantwortung für das Unternehmen, seinen Erfolg und das Engagement der Mitarbeiter dokumentieren. Übernahme von Verantwortung im Corporate Social Responsibility Umfeld kann hier genauso ein Thema sein wie die Gründung kollaborativer Führungsgremien in einer Matrixorganisation, um bereichsübergreifende Entscheidungsprozesse zu vereinfachen.

 Nicht zuletzt Themen, die messbar – durch interne Mitarbeiterbefragungen oder externe Wettbewerbe zur Qualität des Arbeitsplatzes – zum Unternehmenserfolg beitragen. - Beispiele sind hier nicht allgemeingültig, sondern zeigen gerade ihre Stärke in der flexiblen, zielgenauen Reaktion auf Anforderungen der Organisation. Denken Sie an mögliche Befragungsergebnisse, die Unzufriedenheit mit den Sozialleistungen eines Unternehmens ausdrücken und als Antwort eine Kommunikations- und Transparenzoffensive hinsichtlich bestehender Leistungen oder Ähnliches.

6)    Gibt es denn etwas in Ihrem Unternehmen, das rund um den HR Business Partner noch besser werden könnte?

Selbstverständlich sind Lernprozesse des HR Partners gleichsam wie die Evolution der Organisationen niemals abgeschlossen. – Mittelfristig wären qualitätssteigernde Massnahmen insbesondere die immer wieder zu wiederholende Notwendigkeit einer klaren Fokussierung auf die strategisch wichtigen Themen, verbunden mit dem Mut zu einem „Nein“ zu dieser Fokussierung widersprechenden Anforderungen und Bedarfen.
Gleichzeitig die saubere Strukturierung und Businessintegration der gesamten HR Funktion in das Unternehmen, die sicherstellt, dass Basisprozesse in aller Selbstverständilichkeit verlässlich  funktionieren. – Die anfangs genannte Kernanforderung eines umfassenden Businessverständnisses

bringt zudem – insbesondere in sich schnell bewegenden Märkten und Produktfeldern – die Anforderung eines beständigen Weiterentwickelns der eigenen Fähigkeiten mit sich.

7)    Was kommt für Sie denn „nach dem HR Business Partner“, sagen wir mal so ab 2015/2020, oder bleibt dies eine Aufgabe auf Sicht?

Sciherlich die Frage nach dem Blick in die Kristallkugel und mittelfristig ist die Etablierung des HR Business Partners und die Notwendigkeit diesem Entfaltungsraum durch sauber funktionierende, idealerweise weitgehend automatisierte Basisprozesse zu verschaffen durchaus noch eine anspruchsvolle Aufgabe.

Langfristig kann die Evolution der Rolle durchaus dazu führen, dass ein tiefes Businessverständnis den HR Anteil subsidiär werden lässt und integriert, so dass der HR Business Partner zum Business Leader mit People Fokus mutiert. – Im Alltag wird dies vereinzelt schon heute augenscheinlich durch Aufgaben jenseits des klassischen Personalbereichs, häufig in Gebieten wie Unternehmenskommunikation, Corporate Social Responsibility oder Ähnlichem.

Ein Augenblick, in dem klassische Grenzen verschwimmen und damit auch die Sollbruchstelle zu der provokativen Frage, ob in einer idealen Welt jeder Business Leader, der immer auch ein People Leader sein wird, selbst diesen People Fokus als seine Kernverantwortung in einem innovativen Unternehmen wahrnehmen sollte. – Ein Moment, in dem die klassische HR Funktion in Theorie sogar obsolet sein – und in ihrem verbleibenden Teil wieder auf automatisierte oder durch Shared Services Centren wahrgenommene Basisaufgaben zurückgeworfen werden könnte.
Ein Moment allerdings, der im ständigen Veränderungsfluss und der ständigen Evolution von Organisationen voraussichtlich nie umfassend erreicht werden wird.


8)    Was würde in Ihrem Unternehmen passieren, wenn man dem Business seinen HR Business Partner wegnehmen würde?

Vor dem Hintergrund des Gedankens unter Frage (7) sind richtungsweise zwei Szenarien denkbar: der negative Trend wäre der, dass die Organisation ihren People Fokus schwächt, im Extremfall verliert, weil die personifizierten Advokaten dieses Themas verschwunden sind. – Der positive Trend wäre der, dass in Ermangelung personifizierter Leader mit People Fokus dieses Vakuum durch die Businessleader selbst gefüllt wird und die Entwicklung in Richtung des Szenarios, jeder Business Leader selbst umfasst die vom HR Business Partner wahrgenommene Rolle in Personalunion.

Die Wahrscheinlichkeit liesse in der Realität einen Mix erwarten, der in Abhängigkeit von der Evolutionsstufe der Organisation und auch ihrer einzelnen Protagonisten in Führungsrollen abhängen würde.


guido wallraff - 2009

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